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Andrina Mračnikar

Rede Domplatz „Svobodni! Befreit! Ein Fest für den Widerstand | Praznujmo upor“, Klagenfurt/Celovec, 1. Juli 2022

Dober večer, Guten Abend,

Zelo me veseli, da se je danes tukaj zbralo toliko ljudi, da se spomnimo antifašističnega upora in ga skupaj praznujemo.

Ich freue mich sehr heute hier zu sein und hier (so) viele Menschen zu sehen, denn es ist das erste Mal in meinem Leben (und bald 41 Jahren), dass ich hier, in der Landeshauptstadt, ein Fest für die Befreierinnen und Befreier vom Nationalsozialismus erleben darf.
Ich habe als Angehörige einer Familie, deren Mitglieder im antifaschistischen Widerstand waren und in Lager deportiert wurden und als Filmemacherin immer wieder mit Zeitzeuginnen und ihren Nachfahren gesprochen und dabei ging es um gewaltvolle, traumatische Erlebnisse.
Um Massaker, um Konzentrations- und Arbeitslager, um den Verlust der Heimat und des Besitzes und um den Verlust von geliebten Menschen, den gewaltsamen Tod von Kindern, Eltern, Geschwistern, Großeltern.

Und besonders erschreckend war für mich die frühe Erkenntnis, dass diese Verluste, dieser Schmerz und dieses Grauen nach dem Krieg und nach 1945 nicht von allen Seiten anerkannt wurden. Dass es kaum Hilfe und Unterstützung für die aus den Lagern Heimgekehrten gab, sondern oftmals Schmähung und anhaltende und systematische Gewalt.

Umso wichtiger ist dieses Fest heute.

Im April 1946 fand in Klagenfurt eine Gedenkveranstaltung statt, bei der der Opfer der Deportationen gedacht wurde. In meinem Film „Der Kärntner spricht Deutsch“, hat Ana Olip-Jug (Nani) davon erzählt, die selbst das KZ Ravensbrück überlebt hatte. Sie hat davon erzählt, wie zunächst alle Straßen nach Klagenfurt blockiert wurden um die Menschen daran zu hindern, an der Gedenkveranstaltung teilzunehemen. Jene, denen es trotzdem gelang nach Klagenfurt zu kommen, wurden von der Feuerwehr mit Wasserwerfern attackiert und von der Gendarmerie und Schlägertrupps niedergeprügelt.
Die Menschen, die der Deportation und den Toten gedenken wollten, wurden ein Jahr nach Kriegsende wieder Opfer von massiver Gewalt.

Dieses Ereignis war leider nur eines von unendlich Vielen dieser Art.
Alle Menschen, die in meinen Filmen erzählt haben, haben auch nach 1945 Gewalt und Geringschätzung in diesem Land erlebt.
Partisanen wurden Banditen genannt und galten als Verbrecher. Wer im KZ war, dem wurde gesagt, er solle froh sein, dass er nicht die Mühen des Krieges zuhause erleben musste. Die Täter inszenierten sich als Opfer und vor allem blieben sie weiterhin in ihren Funktionen. Auch dafür gibt es so viele Beispiele, dass es zu wenig wäre, hier nur einige der bekanntesten Namen aufzuzählen.

Die meisten Menschen, die deportiert waren oder als PartisanInnen für die Befreiung dieses Landes kämpften, haben niemals Anerkennung erlebt und nie so ein Fest wie dieses heute.

Es ist wunderbar, dass es Menschen und Initiativen gibt, die dieses Fest organisiert haben. Und dass dieses Fest heute möglich ist und vom Land Kärnten und der Stadt Klagenfurt unterstütz wird.
Tatsächlich wäre es aber die Aufgabe der Politik, selbst Feiern wie diese zu veranstalten; deutschnationale Denkmäler, die ganz Kärnten überwuchern zu kontextualisieren und zu verhindern, dass neue Denkmäler für Nationalsozialisten in diesem Land aufgestellt werden. Das wäre normal und wünschenswert für ein Land in Europa.

Stattdessen schürt auch die Politik das Missverständnis, dass es um einen Konflikt zwischen zwei Sprachgruppen, zwischen zwei Volksgruppen geht. Die Zweisprachigkeit ist nicht das Problem, sie ist die Bereicherung und sie ist möglich und lebbar.

Das Trennende ist nicht die Sprache, es ist die politische Haltung.
Das Trennende ist tatsächlich die Frage, wie wir zu Nationalsozialimus und Faschismus stehen.

Es gibt offenbar noch Einige, die sich diesen Ideologien verbunden fühlen und denen immer noch zu viel Macht eingeräumt wird. Es ist Zeit, ihnen keine Macht mehr einzuräumen. Gar keine.

Ich träume manchmal, dass ich eine große Geldsumme zur Verfügung hätte, mit der ich mitten in Klagenfurt/ Celovec ein großes Museum des antifaschistischen Widerstands errichten könnte. Es ist bezeichnend, dass es so ein Museum weder in Klagenfurt noch in Villach gibt. Es ist bezeichnend, dass sich das einzige Museum des antifaschistischen Widerstands heute am Peršmanhof befindet, hoch über Eisenkappel/ Železna Kapla, dort wo es ganz sicher niemanden zufällig hinverschlägt. Dort wo es für die Kärntner Öffentlichkeit und die Touristen unsichtbar bleibt.
Also träume ich von diesem Museum in Klagenfurt, das auch ein Kulturzentrum wäre, mit einem Kaffeehaus, mit einer Bühne für Veranstaltungen und vielleicht sogar mit einem Kindergarten. Ein Ort eben, an dem Menschen zusammenkommen können. Ein Ort, an dem dem antifaschistischen Widerstand, den Partisanninen und Partisanen und allen Kärntner Opfern des Nationalsozialismus so gedacht wird, wie es sich gehören würde.
Mit Anstand und mitten in der Landeshauptstadt.
Ein Ort des Lebens und der Kommunikation, an dem aus dem Gedenken Neues entsteht. An dem Zweisprachigkeit selbstverständlich ist.

Ich möchte das nicht Utopie nennen, denn so ein Museum mit angeschlossenem Kulturzentrum sollte es längst schon geben.

Die Kärntner Politik muss sich endlich um einen ordentlichen Umgang mit der Geschichte und Gegenwart dieses Landes kümmern.
Es geht einfach nicht, dass ein Landeshauptmann im Jahr 2020 Kränze an Gräbern von Antisemiten, Hetzern und NSDAP-Mitgliedern niederlegt. Das ist symptomatisch für die schwammige, unklare politische Haltung und das muss sich ändern.

Es braucht nicht nur eine klare Abgrenzung vom Nationalsozialismus und ein Bekenntnis zu einer humanistischen, solidarischen und weltoffenen Gesellschaft. Es braucht auch ein klares Bekenntnis zur Zweisprachigkeit in diesem Land. Ich sage bewusst Zweisprachigkeit, denn die Mehrsprachigkeit wird immer dann von bestimmten Menschen in diesem Land missbraucht, wenn sie es nicht zweisprachig haben wollen. Dann fordern sie plötzlich drei oder viersprachige Ortstafeln, wohlwissend dass die Orte keine italienischen oder englischen Namen haben. Nein, die Orte haben slowenische Namen und es wird Zeit, dass das überall wirklich sichtbar wird.

Das Zählen von Prozenten ist kleinlich und niederträchtig, wenn man es mitverschuldet hat, dass die slowenische Volksgruppe immer weiter schrumpft. Dort wo Slowenisch gesprochen wird oder wurde, sollten auch zweisprachige Tafeln stehen, unabhängig davon, wieviel Menschen die Sprache dort noch sprechen.

Den Entschuldigungen, die 2020 von Alexander Van der Bellen und die heuer endlich auch von Peter Kaiser der slowenischen Volksgruppe ausgesprochen wurden, müssen auch Taten folgen.
Und es gibt viel zu tun. Die Ortstafeln wären ein erstes schönes Zeichen. Eine Geste der Versöhnung und Aussöhnung und eine späte Anerkennung.
Das könnte ein erster Schritt zu einem weltoffenen, modernen, attraktiven Kärnten sein.

Antifaschismus, Zweisprachigkeit, ein zeitgemäßer und aufgeklärter Umgang mit der Geschichte und Gegenwart, wären eine Bereicherung für alle, die in Kärnten leben. Ich glaube, dass selbst diejenigen, die heute noch deutschnational sind und an rechten Ideologien hängen in Wirklichkeit davon profitieren würden. Es würde sie entspannen zu erleben, dass Zweisprachigkeit nicht wehtut. Für manche wäre es sogar eine späte Aussöhnung mit der Sprache ihrer Vorfahren und der eigenen Vergangenheit.

Und schließlich würden alle Kärntnerinnen und Kärntner davon profitieren, beide Sprachen zu lernen und auch im Unterricht von der Geschichte der slowenischen Volksgruppe, vom antifaschistischen Widerstand in Kärnten, der seinesgleichen sucht,
aber auch von der unrühmlichen Zeit danach zu erfahren. Das alles ist momentan nicht der Fall.
Es gibt viel zu tun. Aber auf dem Weg dorthin sollten wir auch das Feiern und das Zusammensein nicht vergessen.

Andrina Mračnikar, Rede Domplatz „Svobodni! Befreit! Ein Fest für den Widerstand | Praznujmo upor“, Klagenfurt/Celovec, 1. Juli 2022